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Giersch – Aegopodium podagraria

Er gehört wohl zu den meist gehassten Kräutern bei den Gärtnern und Landwirten. Wer jedoch ein nicht ganz so optimales Plätzchen im Kräutergarten für ihn reserviert – also etwas sonniger -, ihn mit einem Wurzelbegrenzer von mind. 50 cm Tiefe in seine Schranken weist und eifrig die nachwachsenden zarten Pflänzchen erntet, hat einen wunderbaren Schatz in seinem Garten, um den man sich kaum kümmern muss.

Illustration aus: Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé; Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz, Gera 1885

Das gesamte Kraut – von der Wurzel bis zu den Samen – kann verwendet werden. Der Giersch ist eine absolute Vitamin-C-Bombe: er enthält 15mal mehr als der Kopfsalat und viermal soviel wie Zitronen. Außerdem enthält er viel mehr Mineralstoffe als unser geschätztes Kulturgemüse wie z.B. der Grünkohl. Da finden sich beispielsweise reichlich Kalium, Magnesium, Calcium, Mangan, Zink, Kupfer. Neben Vitamin C enthält er auch Vitamin A und pflanzliches Eiweiß sowie gesundheitsfördernde sekundäre Pflanzenstoffe.

Sein wissenschaftlicher Name leitet sich vom gr. aigopódes = ziegenfüßig ab. Der deutsche Name Geißfuß, wie der Giersch in einigen Landesteilen genannt wird, würde dem entsprechen. Vielleicht kam man darauf, weil die Blattform dem Fußab­druck einer Ziege (Geiß) ähnelt. Der Zusatz podagraria kommt auch aus dem Griechischen und wurde ihm von dem Wissenschaftler Linné gegeben. Er weist auf seine frühere Verwendung als geschätzte Heilpflanze bei Gicht hin. Podagra bezeichnet einen akuten Gichtanfall, meist im Großzehengrundgelenk. Aus dieser Zeit ist auch der Name Zipperleinskraut überliefert.

Wer den Giersch nicht im Garten hat und wild sammeln möchte, findet ihn meistens massenhaft auftretend am lichten Waldrand, an Wegrändern, Hängen, gerne auch in Gesellschaft mit Brennnesseln. Er gehört zur Familie der Doldenblütler. Um ihn sicher zu erkennen und von anderen, ebenfalls weiß blühenden Familienmitgliedern zu unterscheiden, kann man sich die Zahl 3 merken. Der Stängel ist dreikantig, die Blätter sind doppelt 3-teilig gefiedert und wechselständig angeordnet. Seine unterirdischen Ausläufer sind reinweiß und zahlreich verzweigt. Außerdem duften die zerriebenen Blätter unvergleichlich aromatisch nach Möhre, Petersilie und Sellerie.

Die Blüte sitzt am Ende des Blütenstiels in sogenannten Doppeldolden. Der Blütenstiel ist im Querschnitt dreikantig und, bis auf ein kleines Blättchen etwa in der Mitte, kahl. Die Einzelblüten sind recht klein, weiß und zwittrig. Die glatten 3 – 4 mm langen eiförmigen Früchte sehen den Kümmelfrüchten ähnlich. Die Hauptblütezeit ist von Mai – Juli. Die ersten zarten Blättchen kann manmeist schon Anfang April ernten. Samen und Wurzel werden im Herbst gesammelt.

Pfarrer Künzle empfiehlt ein Bad aus getrockneten Gierschwurzeln bei Rheuma, Gicht und Krampfadern. Innerlich hat er eine mild harntreibende, krampflösende, entzündungshemmende und entsäuernde Wirkung. Beim Giersch handelt es sich also um ein sanftes aber sehr zuverlässiges Heilkraut, das keine starken Reize ausübt. Um so wertvoller ist er als gesundes Wildgemüse zum Nulltarif.

Bereits den Römern war der Giersch bekannt und sie sollen es auch gewesen sein, die ihn in ganz Europa verbreitet haben. Die jungen, zarten, noch gefalteten, frisch aus dem Boden sprießenden Blattschösslinge sind eine wahre Delikatesse. Sie können in Mengen und nahezu das ganze Jahr über zu unterschiedlichen Gemüsegerichten verarbeitet werden. Fein- oder grobgehackt wie Spinat zubereitet, als Füllungen für Strudeltaschen oder Lasagne, als Beigabe in Eierspeisen, Bratlingen, Gemüsesuppen und jede Art von Rohkost-Salat. Natürlich auch in Kräutermischungen, die sich übrigens auch hervorragend einfrieren lassen.

Besonders aromatisch sind auch die noch knospigen Blütenstände. Aber auch die voll aufgeblühten Blüten kann man als essbare Deko und zum Aromatisieren von Süßspeisen und Getränken nutzen. Noch im Herbst geerntete Blätter können, schonend getrocknet und fein gemahlen, als Würze im Winter verwendet werden. Die ausgereiften aromatischen Früchte ergeben, frisch oder getrocknet, ein gutes Gewürz zum Aromatisieren von Wein, Spirituosen oder als Brotteigbeigabe. Die Samen kann man im Winter im Keimgerät auf der Fensterbank als Sprossen ziehen. So hat man selbstgezogenes „Superfood“ und kann auf teure Industrieware verzichten.

Den Gärtnern sei als Trost gesagt, dass das mineralstoffreiche Kraut, ohne Wurzel und vor der Samenreife, als Kompostverbesserer dienen kann. Einen natürlichen Feind hat der Giersch, und zwar die Nacktschnecken und die Weinbergschnecken. Sie lieben ihn und wenn man ein Eckchen im Garten für den Giersch reserviert, hat man gleichzeitig eine Sammelstelle für die Schnecken. Da weiß man wenigstens, wo sie sind, und vielleicht bleibt dann ja das ein oder andere Pflänzchen im Garten von den Schnecken verschont.

Rezept Giersch-Dudler

Eine bis zwei handvoll frisches Gierschkraut, einige Zweige Gundermann und Minze, etwas Klettenlabkraut und, wer im Garten (Zitronen-)Melisse hat, kann auch davon ein paar Blättchen nehmen. Die Kräuter leicht anquetschen und in ein großes Glas füllen, mit Apfelsaft aufgießen und einige Stunden, am besten über Nacht, ziehen lassen. Abseihen und mit Zitrone und Honig abschmecken. Gut gekühlt mit Sekt oder Mineralwasser gemischt genießen. Wer das Aroma noch verstärken möchte kann ein Sträußchen Gierschblüten in die Limonade hängen, das sieht auch noch hübsch aus.

Giersch-Bad

Bei Rheuma, Gicht, Ischias und Hämorrhoiden.

150 g getrocknete Gierschwurzeln und frische Blätter in 1 l Wasser aufkochen, 5 Min. köcheln lassen und anschließend noch ca. 10 Min. zugedeckt durchziehen lassen. Abseihen und den Sud in das warme Badewasser gießen. 15 bis 20 Min. darin baden, anschließend abduschen und noch etwas nachruhen. Wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd. Kann in der Menge auch reduziert werden für Teilbäder, z.B. nur für die Hände oder Füße.

Verwendete Literatur

  • Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen (Fleischhauer/Guthmann/Spiegelberger)
  • Landapotheke 3/2015 (Judith Koch)
  • Delikatessen am Wegesrand (Klemme, Holtermann)
  • Chrut und Uchrut (Künzle)
  • Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen (Helmut Genaust)