Wer Wildbienen und andere Insekten im eigenen Garten fördern möchte, kann dies mit einem ökologischen Gartenkonzept relativ leicht umsetzen. Häufig wird die Meinung vertreten, ein naturnaher Garten sei unaufgeräumt, chaotisch und ungepflegt und widerspräche so manchem Prinzip von Ordnung und Ästhetik, aber das muss nicht so sein.
Einen Insektenfreundlichen Garten kann man auch unterhalten, ohne dass es aussieht, als hätte man das Grundstück schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr betreten. Im Falle vom Wildbienen-Schutz kann man sich gut an den sogenannten „Requisiten“ orientieren, die verschiedene Arten von Wildbienen zum Überleben und für eine erfolgreiche Fortpflanzung benötigen.
Diese Requisiten beziehen sich auf Ressourcen, die unbedingt vorhanden sein müssen, damit die Biene alles hat, was sie braucht. In Deutschland gibt es ungefähr 585 Arten von Wildbienen. Man kann sich vorstellen, dass bei dieser enormen Biodiversität auch die benötigten Ressourcen für eine artenreiche Wildbienengemeinschaft hochdivers sein müssen.

An erster Stelle sind dort die Nahrungspflanzen zu nennen. Viele Arten von Wildbienen sind mehr oder weniger stark spezialisiert und benötigen zur Versorgung ihrer Brut ganz bestimmte Blütenpflanzen. Bei einer solch starken Beschränkung auf sehr wenige Arten von Nahrungspflanzen leuchtet es ein, warum so mancher Exot, den wir im Garten kultivieren, von vielen Bienenarten links liegen gelassen wird. Generalistische Bienenarten wie die Honigbiene und viele Arten von Hummeln können der fremdländischen Blütenpracht zum Teil noch etwas abgewinnen, aber der überwiegende Teil unserer Bienen-Fauna benötigt heimische Wildpflanzen. Es ist also ein ganz wichtiger Punkt, dass man in seinem eigenen Garten möglichst viele heimische Wildkräuter und -Stauden sowie Sträucher und Gehölze pflegt und diese, wo es geht, den Exoten vorzieht. Vielen Hobby-Gärtnern ist bei der überwiegend fremdländischen Pflanzenauswahl im Baumarkt und Gartencenter gar nicht bewusst, welche Schönheit auch von unseren heimischen Pflanzen ausgehen kann.
Neben der Nahrungsgrundlage gibt es weitere Requisiten, die Wildbienen zum Überleben brauchen. Das sind zum einen der Nist-Standort und zum anderen auch Baumaterial für die Nester. Der überwiegende Teil der Wildbienen nistet im Boden. Daher ist es wichtig, auch hier seinen Garten möglichst strukturreich zu gestalten. Mit zum Teil offenbleibenden Bodenstellen ist schon vielen erdnistenden Wildbienen geholfen. Auch den Rasen kann man an ohnehin schattigen Stellen unter Obstbäumen mal etwas lückiger belassen, anstatt den ewigen Kampf gegen die Lücken mit Schattenrasen, Rasendünger und Co. endlos fortzusetzen. Zudem kann die Anlage eines sogenannten Sandariums, einer offenen Bodenstelle mit Sand oder einem Sand-Erde-Gemisch, für Wildbienen, Grabwespen und andere für Menschen ausgesprochen harmlose Tiere ein toller Nist-Standort sein.
Einige andere Wildbienen nisten oberirdisch, zum Beispiel in Totholz oder in markhaltigen Stängeln von zum Beispiel Brombeeren und Königskerzen. Für solche Arten empfiehlt sich das Lagern von Totholz an einem unauffälligen Ort im Garten – Jeder hat in seinem Garten eine Ecke, hinter dem Geräteschuppen, unter Sträuchern oder dergleichen, wo ein bisschen totes Holz nicht weiter auffallen würde. Auch das Stehenlassen von so mancher Stockrose, Wilden Karde, Brombeerranke oder Königskerze aus dem Vorjahr fördert eine Reihe von kleineren Wildbienen, welche dann die aufrechten, dürren Triebe besiedeln können. So manche Wildbienen-Art nistet gewissermaßen im „gemachten Nest“. Nach natürlichem Vorbild ist das zum Beispiel ein alter, leerer Käfer-Fraßgang in Totholz. Viele dieser Nutznießer früherer Totholzbewohner sind in der Wahl ihrer Nester nicht allzu anspruchsvoll und nisten gerne auch in allerlei anderen vorhandenen Hohlräumen. Diese Wildbienen lassen sich des Öfteren an den mittlerweile recht populär gewordenen Wildbienen-Nisthilfen aus Bambus oder Hartholz-Blöcken mit Bohrlöchern beobachten. Beim Kauf oder Selberbasteln einer solchen Nisthilfe ist einiges an Qualitätsmerkmalen zu beachten. Darauf soll in diesem Fall aber nicht weiter eingegangen werden. Ich verweise in der Sache gerne auf die Seiten www.wildbienen.de und www.wildbienen.info, auf denen man sehr detailliert zu dem Thema recherchieren kann.
Die letzte Requisite, die nun noch zu nennen ist, sind die Baumaterialien für den Nestbau. Während viele erdnistende Wildbienen die einzelnen Brutzellen im Boden ganz simpel mit dem Erdreich verschließen, in dem sie graben, nutzen gerade oberirdisch nistende Wildbienen verschiedene Materialien, um Nester zu verschließen oder zu bauen. Einige der häufigsten Arten von Mauerbienen und ihren Verwandten nutzen mineralische „Werkstoffe“ wie Lehm und kleine Steinchen, Wollbienen zum Beispiel nagen Pflanzenhaare von wolligen Pflanzenteilen ab und bereiten ihrer Brut damit eine kuschlige Kinderwiege. Blattschneiderbienen machen ihrem Namen alle Ehre und schneiden Blätter zurecht, um damit die Innenwände ihrer Brutröhren zu „tapezieren“. Wieder andere nutzen zu Brei zerkaute Pflanzenteile oder Harze. Die Liste von möglichen Baumaterialien ist lang und viele Arten haben ihre ganz eigene Methode, um ihre Brut sicher vor Parasiten und Fressfeinden oder mikrobiellem Befall zu schützen.
Alle angesprochenen Requisiten müssen im Aktionsradius einer Bienenart vorhanden sein, sonst ist sie auf Dauer nicht lebens- und überlebensfähig.
Um ehrlich zu sein, lässt sich der überwiegende Großteil der Wildbienen mit klassischen Nisthilfen nicht fördern. Hier ist eher das Bereitstellen von sonstigen Nistangeboten und vor allem das Anpflanzen von wertvollen Wildkräutern vorzuziehen. In der Hinsicht bieten private Gärten allerdings eine echte Chance, wertvolle Ersatz-Habitate zu schaffen.
Da Wildbienen-Nisthilfen aber eine tolle Möglichkeit sind, immerhin eine Hand voll Arten beim Nestbau zu beobachten und sich somit näher mit diesen faszinierenden Bestäuber-Insekten zu beschäftigen, möchte ich an dieser Stelle ein paar Arten vorstellen, die sich häufig an klassischen Nisthilfen beobachten lassen. Die Bilder sind überwiegend an zwei meiner eigenen Nisthilfen „Marke Eigenbau“ entstanden. Hierzu habe ich ein kleines Stammstück Kirschholz und Weißdornholz lange im Keller trocknen lassen und dann mit Bohrlöchern unterschiedlicher Durchmesser versehen (3 – 9 mm). Sie stecken mit einem Erdspieß im Boden und haben als Regenschutz einen umgedrehten Blechtopf-Untersetzer aufgesetzt bekommen. Später in der Saison sollte das Ganze mit einem Kaninchendraht gegen Vogelfraß geschützt werden, damit die Wildbienen-Nisthilfe nicht zum All‑You-Can-Eat-Buffet für Specht und Co. verkommt.
Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta)
Sie gehört zu den ersten Besuchern von Wildbienen-Nisthilfen im Jahresverlauf und erscheint schon ab Ende März. Vorne schwarz, hinten rot und unter dem Hinterleib eine sogenannte Bauchbürste, in welcher der meist strahlend gelbe Pollen transportiert wird. Ihr deutscher Name rührt von zwei kleinen Hörnchen in ihrem Gesicht her, die ihr vermutlich helfen, die Trennwände aus Lehm in den Brutröhren zu formen. In der Auswahl der Pollen-Pflanzen ist diese Wildbienen-Art vollkommen unspezialisiert. Von Blaustern über Traubenhyazinthen, diversen Taubnesseln und Löwenzahn bis hin zu verschiedenen Obstbäumen werden eine Vielzahl von Pflanzen besucht. Wegen ihrer guten Anpassungsfähigkeit ist diese Art in Siedlungsnähe sehr häufig. Die Männchen sind kleiner und erscheinen einige Zeit vor den Weibchen. Sie sind ähnlich gefärbt, zeigen allerdings längere Fühler und eine auffallend weiße Gesichtsbehaarung – der Mauerbienen-Mann, der was auf sich hält, trägt eben einen nobel-weißen Bart. Die Weibchen bevorzugen Bohrgänge von 7-9 mm Durchmesser und verschließen einzelne Brutzellen und auch den Nestausgang mit einem Pfropfen aus Lehm.
Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis)
Sie ist das Insekt des Jahres 2019 und ihrer Gattungs-Verwandten, der Gehörnten Mauerbiene recht ähnlich. Auch sie trägt zwei Hörner im Gesicht („bicornis“ bedeutet zwei-hörnig) und verschließt ihre Nester mit Lehm. Sie ist ebenso unspezialisiert und gehört daher auch zu den sogenannten synanthropen Arten, also solchen, die sich in der Nähe des Menschen recht wohl fühlen. Sie ist weniger kontrastreich gefärbt als die Gehörnte Mauerbiene: Ihr Brustteil ist eher bräunlich als schwarz gefärbt und der Hinterleib ist braunrot oder rostrot und nicht so strahlend-rot wie bei Osmia cornuta. Auch hier sind zuerst die Männchen zu beobachten und einige Zeit später die Weibchen. Die Art fliegt von April bis Juni.
Stahlblaue Mauerbiene (Osmia caerulescens)
Diese Art von Mauerbienen ist etwas unscheinbarer und kleiner als ihre Gattungsverwandten. Sie erreicht eine Größe von maximal 10 mm und ist überwiegend schwarz gefärbt und nur schütter weiß-bräunlich behaart. Bei richtigem Lichteinfall kommt der namensgebende bläuliche Schimmer zum Vorschein. Auch sie ist recht anpassungsfähig und fliegt viele verschiedene Arten von Wildkräutern an. Oft ist sie zum Beispiel an Purpurroter Taubnessel zu beobachten, deren roter Pollen dann häufig in ihrem Gesicht zurückbleibt. Die Männchen sehen mit ihrem goldenen Glanz, den gelb-braunen Haaren und den auffallend grünen Augen komplett anders aus als die Weibchen. Auch sie sieht man häufig auf Weibchen wartend an Nisthilfen. Sie bevorzugt Loch-Durchmesser von 4-6 mm und die Nistverschlüsse werden aus zerkautem Pflanzenmaterial („Pflanzenmörtel“) gefertigt.
Hahnenfuß-Scherenbiene (Chelostoma florisomne)
Ihren Namen trägt sie aufgrund der langen Mandibeln (Beißzangen), die ein wenig an Scheren erinnern. Sie gehört zu den oligolektischen, d.h. stärker spezialisierten Wildbienen. Den Pollen für ihre Nachkommen sammelt sie ausschließlich an den Blüten der Hahnenfuß-Gewächse und zwar von Ende April bis Ende Juni. Von der verwandten Glockenblumen-Scherenbiene (Chelostoma rapunculi) kann man sie anhand des Pollens unterscheiden, den sie zum Nest trägt. Der Pollen von Hahnenfuß-Arten ist gelb, der Pollen von Glockenblumen weiß-grau. Anhand der Farbe der gefüllten Bauchbürste ist also eine Artunterscheidung dieser ansonsten sehr ähnlichen Bienen möglich. Sie bevorzugt Loch-Durchmesser von 3-5 mm und die Nistverschlüsse werden unter anderem mit kleinen Steinchen und auch Nektar gefertigt. Die Verpilzung des Nektars im Laufe der Zeit färbt den Rand um die Nisteingänge später schwarz.
Gewöhnliche Löcherbiene (Heriades truncorum)
Diese sehr kleine Wildbiene wird maximal 8 mm groß und ist überwiegend schwarz gefärbt. Außerhalb von Nisthilfen findet man sie fast ausschließlich auf den Blütenständen von Korbblütlern, auf die sie streng spezialisiert ist. Sie erfreut sich im Garten allerdings nicht nur an heimischen Korbblütlern, sondern auch an Kulturvarianten wie Mädchenauge, Sonnenbraut und vielen weiteren. Diesem Umstand verdankt sie auch ihre Häufigkeit trotz eingeschränkten Nahrungsspektrums. Ihre Nester legen sie in Lochbohrungen von 3-4 mm Durchmesser an und verschließen das Ganze vorwiegend mit Harz. Ihre Flugzeit dauert von Juni bis Anfang September.
Text und Fotos: © Christopher Bause, „Der Wildbienenflüsterer“ auf facebook und Instagram